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Die Qual der Wahl

von Sabine Neugebauer

Zwei Alternativen abwägen, die beide ihre Vorteile haben? Nicht leicht! Hier muss man einen Umweg gehen und zunächst einen persönlichen Maßstab erarbeiten. Mit Bewertungskriterien baut man eine Art individuelles Maßband, mit dem sich auch unterschiedlichste Alternativen vergleichen lassen.


Es ist wirklich unangenehm, zwischen A und B entscheiden zu müssen, wenn beide ihre Vorteile haben. Nur leider recht unterschiedliche! In solch einer Situation schwanken wir immer wieder hin und her. Am Abend, nach dem Gespräch mit einer guten Freundin, fühlt man sich so richtig entschlossen für A. Doch schon morgens beim Frühstück ist es wieder da, dieses flaue Gefühl: Ist nicht B doch besser? Man dreht sich im Kreis, steckt im Patt. Bald sind die Freunde es leid, als Ratgeber zur Verfügung zu stehen, weil ja doch nichts weiter geht. Wie kommt man aus dieser Schleife raus?

"Große Chance" gegen "guten Status Quo"

In einem Coaching kam dieses Beispiel zur Sprache. Sebastian erfuhr zufällig am Rande einer Besprechung, dass seine Firma plante, ein eigenes Team "Digital Marketing" aufzustellen. Das war doch seine Chance! Nach seinem BWL-Studium hatte er vor ein paar Jahren in der Firma im Marketing angefangen. Er hatte sich gut eingearbeitet, aber war noch nicht besonders positiv aufgefallen. Was auch daran lag, dass er die Aufgaben als eher langweilig und altbacken empfand. Mal etwas innovativ neu aufzubauen, mit modernen Medien - das würde ihn schon reizen! Er hörte sich um und erfuhr, dass das Team intern besetzt werden würde und schon reges Interesse bestände. Er wäre gut beraten, sich schnell bei dem designierten Teamleiter zu melden.

 

Seine Begeisterung legte sich jedoch schnell. Ein befreundeter Kollege berichtete, dass der künftige Teamleiter dafür berüchtigt war, Überstunden zu verlangen. Das würde in der Aufbauphase sicher eher schlimmer als besser. Zudem könnte das neue Team in der Außenstelle am Stadtrand angesiedelt werden und nicht in der Zentrale, die in Fahrradentfernung zu seiner Wohnung lag. Dagegen fiel ihm jetzt so richtig auf, wie wertschätzend sein jetziger Chef mit ihm umging und wie frei er Entscheidungen treffen konnte. Und wie glücklich er war, ohne Feierabendstau in 10 Minuten zu Hause zu sein und genug Zeit für den Salsa-Kurs mit seiner Freundin zu haben.

 

Andererseits würde solch eine Chance so schnell nicht wieder kommen. Er könnte sich einen Namen machen, Firmengeschichte mitgestalten. Eine Herausforderung, die anstrengend, aber auch befriedigend wäre.  Sebastian schwankte hin und her. Und die Zeit lief...

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Kriterien geben ein stabiles Gerüst für komplizierte Entscheidungen

Für mich als Coach wurde beim Zuhören deutlich, dass beide Alternativen Vor- und Nachteile hatten - nur eben sehr verschiedene. Ich beruhigte Sebastian: Sein Hin- und Herschwanken ist keine Charakterschwäche, sondern Abbild der komplizierten Lage.

Um die Unterschiedlichkeit dennoch vergleichbar zu machen, muss man zunächst einen kleinen Umweg gehen. Sebastian musste überlegen, was seine persönlichen Maßstäbe sind:

  • Was macht für mich Berufserfolg aus?
  • Welche Tätigkeiten machen mich zufrieden und glücklich?
  • Was kann mich andererseits im Beruf demotivieren?
  • Welchen Stellenwert hat die Berufstätigkeit im Vergleich zu anderen Lebensbereichen wie Freizeit, Partnerschaft, Familie?
  • Wie wichtig sind mir Aspekte wie beruflicher Status, Einkommen oder Sicherheit?
  • Was traue ich mir zu im Umgang mit Stress, Überforderung und Konflikten?

Mithilfe dieser Einschätzungen wird eine Art individuelles Maßband erarbeitet, an dem sich die Alternativen vergleichen lassen. Das bringt Ruhe in die Sache.

 

Wie genau man dabei vorgeht, erfahren Sie im nächsten Artikel.

Die persönlichen Bewertungskriterien führen zur Entscheidung.


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