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Mein Chef sollte endlich mal...!

von Sabine Neugebauer

Wenn man mit seiner Führungskraft nicht zufrieden ist, macht man sich gerne viele Gedanken darüber, was der andere ändern sollte. Realistisch ist aber einzig nur das, was man selbst ändern kann. Und dazu ist ein radikaler Gedankenwechsel hilfreich.

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Kein Chef ist perfekt. Mal ehrlich – ich als Chefin wäre das auch nicht. Trotzdem treffen einen die Fehler des Vorgesetzten stark. Empfundene Ungerechtigkeiten und mangelnde Wertschätzung sind große Motivationskiller. Ein Mitarbeiter ist auf seine Führungskraft angewiesen, deshalb will er es nicht mit ihr verderben. Und je länger man den Mund hält, desto mehr ärgert man sich. Wo ist da ein Ausweg?


Brigittes Geschichte ist ein gutes Beispiel. Sie kriegt von ihrer Referatsleiterin häufig kleine Sonderaufgaben, die dann in richtig viel Arbeit ausarten und ihre Zeitplanung über den Haufen schmeißen.

 

Diesen Freitag hatte sie glücklicherweise eine Projektsitzung, da lief sie ihrer Chefin nicht über den Weg. Aber Pech gehabt: Als sie nachmittags kurz an ihren Schreibtisch ging, um die Unterlagen wegzuschließen, fand sie einen gelben Klebezettel „Können Sie sich bitte um den Deutschkurs des chinesischen Trainees kümmern? Danke!!“. Brigitte kochte innerlich. Aber was sollte sie tun? Ärgerlich ging sie ins Wochenende und mit Wut im Bauch kam sie montags zurück ins Büro. Dann machte sie sich natürlich an die Recherche nach Sprachkursen. Sie wollte das möglichst schnell hinter sich haben, um sich wieder beruhigen zu können und an ihre eigentliche Arbeit zu machen.

 

Ihre Kollegen bemerkten, dass Brigitte sauer war, aber sie hielten sich vornehm zurück – waren sie doch froh, dass sie selbst diesen M***job nicht gekriegt hatten. Brigitte fand das so ungerecht, dass immer sie für sowas herhalten musste. Einmal hatte sie sich auch beschwert und versucht, die Arbeit abzulehnen, aber damit war sie nicht durchgekommen. Mittlerweile ging sie ihrer Referatsleiterin immer mehr aus dem Weg aus Sorge, diese käme noch auf weitere blöde Sonderaufträge.

Rückzug ist keine nachhaltige Lösung

Der erste Schritt zur Änderung ist, aus dem alten Denkschema „Täter – Opfer“ auszusteigen und die Lage anders zu betrachten, nämlich als „Spieler – Spieler“ - Situation, wie ich das nenne. In diesem neuen Paradigma sind beide Parteien auf Augenhöhe, und der eine kann nicht Tango tanzen, wenn der andere nicht mitmacht. Es kommt darauf an, kreativ Möglichkeiten zu finden, den „Tanz“ in die eigene Richtung zu verändern.

 

Wie könnte das bei Brigitte aussehen? Bisher „spielte“ die Vorgesetzte „Delegation von Zusatzarbeit“ und Brigitte „spielte“ gehorsame, wenn auch beleidigte Mitarbeiterin. Mal ein Gedankenexperiment: Angenommen Brigitte wäre nicht Angestellte, sondern selbständig mit einer Bürodienstleistungsfirma. Würde sie sich über den gelben Zettel ärgern? Im Gegenteil, er wäre eine Chance auf einen Auftrag!

 

Klar, Brigitte ist Angestellte und will es auch bleiben, aber wenn sie mal kurz in diese andere Sichtweise geht, die Veränderungen spürt und daraus  die Einstellung mitnimmt, kann sie das „Spiel“ ändern! Wenn die Chefin wieder „Delegation von Zusatzarbeit“ spielen will, spielt Brigitte „Auftragsklärung“: Wie wichtig ist der Auftrag? Gibt es Budget (Überstundenbezahlung)? Oder werden andere Aufgaben zurückgezogen (Re-Priorisierung)?

 

Was hat sich geändert? Brigitte fühlt sich nicht mehr als Opfer. Der Schlüssel liegt in einem selbst!

Auch in dem neuen Denkschema hat die Führungskraft die Macht, Aufgaben zu verteilen. Aber nicht mehr die Macht, einen klein zu machen.

 

Das kann sofort wirken. Es braucht aber eine längere Übung, damit wir es verinnerlichen. Die meisten sind dazu erzogen, gehorsam die "Spiele" der anderen mitzumachen, anstatt ihre "Spiele" selbst zu definieren. Wäre es nicht schön, wenn sich eines Tages Brigittes Chefin fragt, wenn sie mal wieder ihrer inzwischen souverän und überlegt argumentierenden Mitarbeiterin gegenübersitzt, ob diese nicht zu schade ist für solche Kleinkramaufgaben?

 

Der eine kann nicht Tango tanzen, wenn der andere nicht mitmacht


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