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Entscheidungen ohne Energie

Eigentlich hat man eine Entscheidung getroffen, uneigentlich klemmt die Umsetzung. Es fehlt die Energie! Mit solchen schwächelnden Entscheidungen will ich mich in den nächsten beiden Blogbeiträgen beschäftigen.

ein Elefant im Kühlschrank, zaghaft guckend
(c) Dmitry Abramov, Pixabay-Lizenz 2022

Andrea ist auf Anraten ihres Arztes Mitglied in einem Fitness-Studio geworden. Nach den ersten sechs Wochen werden die Besuche jedoch immer seltener. Das einzig Kontinuierliche sind die Abbuchungen der Monatsbeiträge...

Jörg nervt schon seit zwei Jahren mit seiner beruflichen Unzufriedenheit. Er will kündigen und sich nach einer neuen Stelle umsehen, allerdings passiert nichts.


Solche Hängepartien machen deutlich, dass mit einer im Kopf getroffenen Entscheidung noch längst nicht alles auf der sicheren Seite ist. Die rationale Betrachtung ist nämlich nur ein Aspekt. Das Unbewusste will auch ein Wörtchen mitreden.

Klar kann Andrea erklären, dass regelmäßiger Sport sich positiv auf ihre Gesundheit auswirkt. Sie würde vielleicht etwas abnehmen und keine Rückenschmerzen mehr haben. Doch das reicht wohl nicht.

Die Motivation, die wir brauchen, um eine Entscheidung auch umzusetzen, kommt aber nicht von Argumenten, sondern sie speist sich aus dem Unbewussten. Dort sind die Motive, die uns Energie geben – den Rückenwind, der uns leicht vorangehen lässt!

Unsere wirklichen Bedürfnisse

Wenn eine Entscheidung versandet, dann haben wir unsere Motive, also unsere wirklich wirklichen Bedürfnisse, augenscheinlich nicht getroffen. Gesundheit ist für viele ein hohes Gut, aber für Andrea, die noch jung und gesund ist? Auch Karriere ist für viele wichtig, aber für Jörg? Oftmals übernehmen wir Ziele aus unserer Familie oder dem Freundeskreis, die im Grunde nicht unsere eigenen sind.

Um einen Entschluss umzusetzen, braucht es Entschlossenheit – wie der Name schon verrät: Entschluss kommt von entschlossen sein! Und diese Entschlossenheit ist ein Gefühl: eine starke, ruhige Gewissheit, dass wir etwas wirklich tun werden.

Entschlossenheit ist ein Gefühl

Wie kommen wir nun an unsere unbewussten Bedürfnisse und Motive heran, um diese Entschlossenheit zu erreichen? Leider ist das Unbewusste unbewusst und redet nicht mit uns. Oder nur indirekt. Das ist der Trick: Wir erkennen es eher an den Wirkungen, oder wenn wir es mit Phantasie ansprechen.

Motive indirekt erkennen

Wir können indirekt rückschließen, was uns motiviert, wenn wir darauf achten, was uns besonders gut und leicht gelingt – wo also die Kraft der unbewussten Motive mit uns ist!

Wo kriegt Andrea etwas gut hin? Bei der Arbeit eigentlich alles. Insbesondere, wenn es muss. In der Firma kann man auf sie bauen: ob Quartalsabschlüsse oder Software-Umstieg, kein Stress kann sie aus der Bahn bringen. Sie strukturiert die Aufgaben, so viel es auch sind, und arbeitet sie hintereinander ab. Danach ist sie so richtig zufrieden.

Welche Motive zeigen sich hier? Sie ist pflichtbewusst und verantwortungsvoll. Wenn andere sich auf sie verlassen, dann gewinnt sie Kraft. Und wenn ein Berg Arbeit abgearbeitet ist, dann empfindet sie ein richtiges Erfolgserlebnis.

Und das Fitness-Studio? Da ist nichts verpflichtend, und da hängt auch nichts von ihr ab. Ob sie da hingeht oder in Köln ein Würstchen platzt, das ist gleich.

Ein glücklicher Zufall brachte Andrea dann doch zu sportlicher Betätigung. Eine Kollegin kam auf sie zu mit der Frage, ob sie bei einer Firmen-Yoga-Gruppe mitmachen wolle. Sie bräuchten noch drei weitere Teilnehmende, damit die Firma es als offizielles Angebot unterstützen würde. Andrea spürte eine Verantwortung, sie machte einen Plan, um die weiteren zwei Teilnehmenden zu finden, und war sehr zufrieden, als die Gruppe zustande kam. Andrea las die Mail, in der die Firma die Yoga-Gruppe genehmigte, und da war dieses Gefühl der Entschlossenheit: „Ja, das werde ich durchhalten! Das ist meine Gruppe.“

Nun hatte sie einen verpflichtenden Termin, die andern warteten auf sie. Es erfüllte sie mit Stolz, dass die Gruppe auch durch ihr Engagement möglich geworden war. Sie machte weiter Werbung, damit die Mindestteilnehmerzahl nicht unterschritten wurde. Und das Training war natürlich auch gut für ihre Gesundheit, doch das war eher ein Nebeneffekt.

Um Ihre Motive indirekt zu erschließen, fragen Sie sich

  • Bei welchen Aufgaben habe ich enorme Energie?
  • Wenn mir etwas ganz leichtfällt, was ist da gegeben?
  • Wie sind die Umstände, wenn ich viel schaffe, ohne erschöpft zu sein?
  • Wobei fühle ich eine tiefe innere Zufriedenheit?

Motive über Assoziationen erkennen

Unbewusste Motive zeigen sich eher in Bildern und Empfindungen als in Worten und Sätzen. Deshalb ist es ein weiterer Weg, über visuelle Assoziationen etwas mehr zu seinen unbewussten Bedürfnissen zu erfahren.

So erging es Jörg, als er einen Bildungsurlaub zu Entscheidungstechniken machte. Dort wurde nach dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) vorgegangen. Jeder Teilnehmende nahm ein persönliches Entscheidungsprojekt als Beispiel, und Jörg wählte natürlich seinen beruflichen Veränderungswunsch. Nachdem er nun seine Ziele und Wünsche dazu formuliert hatte, sollte er sich ein Fotomotiv aussuchen, um sein Ziel zu symbolisieren, und in der Kleingruppe analysieren.

Jörg hatte ein schönes Sportfoto ausgewählt, eine Handballmannschaft, die zusammen ihr Siegtor bejubelt. Handball hatte er früher gerne gespielt. Die Seminarkollegen diskutierten lebhaft. Jörg war verwirrt. Für ihn passte das Foto gut zu seinem Ziel, die anderen Gruppenmitglieder sahen aber Widersprüche.

Das Mannschaftsmotiv assoziierten sie mit Teamgeist, Erfolg, Gemeinschaftaufgabe, Freude. Eine berufliche Neuausrichtung würde jedoch ein Alleingang sein, mit Stress und Unsicherheit einhergehen und auch Trennung und Abschied von den bisherigen Kollegen beinhalten.

In den folgenden Gesprächen und Übungsschritten erkannte Jörg, wie stark sein Motiv  "Zugehörigkeit" ist. Sich abwenden und alleine einen neuen Weg gehen, dazu hat er bisher kaum Erfahrungen gesammelt. Nun verstand er, wieso er sich gleich so kraftlos fühlte, wenn er Stellenanzeigen in den einschlägigen Portalen durchlas.

Wie umgehen mit Zielkonflikten?

Dennoch sind die Arbeitsumstände in seiner jetzigen Abteilung weiterhin nicht gut für Jörg. Wie kann er Energie für einen Absprung gewinnen, auch wenn er nun um sein starkes Motiv Zugehörigkeit weiß? Ich sehe drei Wege:

a) Die Ziel-Latte niedriger legen

Jörg könnte auf hochtrabende Karriereziele (erst mal) verzichten und mit einem kleineren Absprung üben. Hat sein Arbeitgeber ein Förderprogramm, was für ihn passen würde? Er könnte Veränderungen innerhalb der Firma vornehmen, sich für Job Rotation oder auf interne Stellenausschreibungen bewerben. Dann könnte er alte Kollegen noch in der Kantine treffen, und die Veränderung müsste ihm leichter fallen.

Allgemein beschrieben geht es darum, ein Ziel realistisch anzupassen, wenn die innere Motivationslage es sonst zu sehr ausbremsen würde.

b) Brücken bauen, hier z. B. Networking

Wenn er zu einem neuen Arbeitgeber wechseln will, könnte er sich den Absprung erleichtern, indem er schon Kontakte zu dem neuen Unternehmen knüpft. Er könnte im Bekanntenkreis fragen, ob jemand passende Stellenvakanzen weiß, und bestenfalls schon einen Bekannten in der zukünftigen Firma haben. Aktiver geht’s mit Networking-Events beispielsweise von Berufsverbänden oder mit Meetups.

 Hier ist der Kerngedanke: Wie kann ich eine Brücke bauen, dass mein Unbewusstes heute schon spüren kann, dass seine Motive demnächst wieder erfüllt sein werden.

c) Eine Zugehörigkeit für den Übergang

Wenn wir eine motivationale Durststrecke in Kauf nehmen wollen, um ein wirklich wichtiges Ziel anzustreben, können wir versuchen, für den Übergang die Rahmenbedingungen zu verbessern, um unseren Motiven entgegenzukommen.

Im Beispiel von Jörg mit seinem Zugehörigkeitsmotiv könnte die Lösung darin liegen, dass er mit Kollegen aus dem Bildungsurlaub eine Art Beratungsgruppe bildet. Auch wenn Jörg sich dann alleine auf den Weg zu einer besseren beruflichen Position macht, hätte er die Gemeinschaft der Seminarteilnehmenden beratend an seiner Seite.

Das Unbewusste trainieren

 Was die Psychologie „das Unbewusste“ nennt, sind verschiedene Hirnstrukturen, in denen das emotionale Erfahrungswissen eines Menschen abgebildet wird. Das wird gefüllt, sobald wir erlebnisfähig sind, also wahrscheinlich schon vor der Geburt. Und es wird weiter gefüllt und entwickelt, solange wir leben. Deshalb bieten Entscheidungssituationen mit fehlender unbewusster Energie, wie sie hier beschrieben wurden, ein ideales Trainingsfeld! Wenn wir trotz innerer Motivkonflikte – und ersatzweise mit mehr Willensstärke (passende Blogartikel hier) – neue emotionale Erfahrungen machen, dann wirkt das auch nach innen. Unser Unbewusstes lernt mit.


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