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Entscheiden statt Jammern

von Sabine Neugebauer

Wer jammert, nimmt den Dampf aus einer Problemsituation. Doch diese Entspannung schadet gleich doppelt: Man erlebt sich als Opfer und die Problemsituation gerät aus dem Blick. Gerade die sollte jedoch geändert werden!

Frust als Brennstoff für Veränderungen
© Minerva Studio - Fotolia.com 2017

Frust kennt jeder: Wir erwarten, erhoffen etwas – aber das passiert nicht. Wir strengen uns an, um etwas zu erreichen – aber es gibt Widerstände, es klappt nicht. Zu dem Misserfolg auf der äußeren Ebene kommt eine innere Schieflage: Wir haben doch nicht etwa Unrecht gehabt?? Wir haben uns doch wohl Mühe gegeben! Wir sind doch nicht unfähig!

 

Genau da ist das Einfallstor fürs Jammern. Es erleichtert einfach, wenn ich mich bei einem guten Freund beklagen kann, wie übel mir mitgespielt wurde, und ich Verständnis bekomme. Wenn er mir Recht gibt, kommt mein inneres System wieder ins Gleichgewicht. Mir geht es gleich besser. Warum soll das schädlich sein?

Die Welt ist ungerecht

Diese Geschichte hat sich so ähnlich zugetragen: Karla hat zufällig mitbekommen, wie ihr Kollege Rainer seiner Freundin am Telefon freudig erzählt, er hätte eine Gehalterhöhung von 10% erhalten, nach nur zwei Jahren in der Firma. Karla fällt fast die Teetasse aus der Hand: sie selbst ist schon fünf Jahre dabei, und bis eben ist sie stolz gewesen, dass sie dem Chef dieses Jahr endlich 5% Zulage abringen konnte. Sie geht an ihren Schreibtisch und macht für den Rest des Tages Dienst nach Vorschrift. In ihr wütet es: Dieser ungerechte und auch verlogene Teamleiter! Ihr erzählt er noch, wie wichtig sie für das Team wäre. Ist sie ja auch – wer hat denn Rainer eingearbeitet? Aber mit Frauen kann man es ja machen.

 

Zuhause lässt sie sich erst mal von ihrem Freund trösten. Dann ruft sie eine frühere Kollegin an und gemeinsam ziehen sie genüsslich über den Teamleiter und auch den Kollegen Rainer her. Da geht es Karla gleich besser. Die Ex-Kollegin findet auch, dass Rainer ein hohler Blender ist und der Chef unfair war. Da ist Karlas Welt bald wieder in Ordnung.

 

Doch halt – die Welt hat sich gar nicht geändert! Nur Karla hat sie sich schön geredet.


Wäre Karla als Coaching-Klientin zu mir gekommen, hätte ich sicherlich auch Verständnis für ihren Ärger geäußert, doch ich hätte den Frust anders bewertet. Er zeigt an, dass Karla etwas anderes will!

 

Es ist immer eine gute Alternative, an der Sache selbst etwas zu ändern. Dazu muss man (leider, leider) den Frust ein wenig länger aushalten. Und auch noch etwas darin herum bohren:

  • Weshalb hat der Teamleiter dem Kollegen 10% gegeben und Karla nur 5%?
  • Wenn Karla sich kompetenter einschätzt – teilt der Chef diese Meinung? Oder hat er vielleicht andere Erwartungen, die Karla bisher überhört hat?
  • Ist Karla bereit, diese Erwartungen mehr zu bedienen? Kann sie das auch?
  • Wenn es am besseren Verhandlungsgeschick des Kollegen gelegen hat: Wie kann Karla lernen, sich besser zu behaupten?
  • Wenn diese Bemühungen fehlschlagen sollten, ist Karla dann bereit, sich woanders zu bewerben?
  • Und was braucht sie eventuell noch an Erfahrungen oder Schulungen, damit sie dann nach ihren Vorstellungen entlohnt wird?

Wer, glauben Sie, hat bei der nächsten Gehaltsrunde den besseren Biss: die Jammer-Karla oder die entschiedene Karla?

Ich finde Frust gar nicht so schlecht. Er fühlt sich zwar sch** an, aber er kann ein super Motor sein für Veränderungen. Und zwar Veränderungen im REAL LIFE, nicht nur im eigenen Kopf!

Frust gibt Energie für wirkliche Verbesserungen


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